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und digitalen Bildkunst
 

  Nachgefragt: Gespräch mit Thomas Wiegand, Mitorganisator des 5. Kasseler Fotofrühlings 2009.
von Thomas Leuner

Thema der diesjährigen Veranstaltung (15.-17. Mai 2009) war „das unabhängige Fotobuch“.



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Was soll man sich denn unter einem „unabhängigen Fotobuch“ vorstellen? Und: Haben wir jetzt ein jährliches Fotobuchfestival in Kassel zur Pfingstzeit? Zumindest wurde es so für 2010 als 3. Fotobuchfestival angekündigt.


Thomas Wiegand
Das „unabhängige“ Fotobuch wollten wir verstehen als selbstproduziert, selbstbestimmt in jeder Beziehung. Die anfangs zusätzlich gebrauchte Formulierung des „kompromisslosen“ Fotobuches sollte eine Gewichtung nicht nur auf Produktion und Vertrieb, sondern auch auf Konzeption, Inhalt, Ästhetik und Gestaltung andeuten. Schließlich hatten wir für beide Themen Gäste eingeladen, was sich als glückliche Entscheidung erwiesen hatte. Bei Joakim Eskildsen oder Andreas Magdanz gab und gibt es jedenfalls immer beides: Unabhängigkeit und Kompromisslosigkeit, auch wenn das Buch am Ende bei einem großen Verlag erscheint.
Der seit 2004 organisierte Kasseler Fotofrühling soll seine Themen weiter aus dem Bereich der Fotobücher beziehen. Die Frage, ob wir das auch 2010 wieder schaffen, stellen Sie etwas zu früh. Ich hoffe es jedenfalls.


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Ist die „Roma-Reise“ von Joakim Eskildsen ein kompromissloses Fotobuch? Mir scheint das eher Mainstream-Fotojournalismus zu sein mit der Tendenz zum Ethno-Kitsch. „Gypsies“ von Josef Koudelka würde ich dagegen als „kompromisslos“ bezeichnen, wenn man sich nach anderen Arbeiten zum Thema umschaut. Vielleicht sind beide Bücher auch ein gutes Beispiel dafür, wie sich „Belletristik“ und „Literatur“ im Fotobuchbereich unterscheiden, also ein weites Thema.
Aber zurück zum Fotofrühling. Warum bedarf es eines eigenen Festivals, um den Deutschen Fotobuchpreis zu ergänzen?


Thomas Wiegand
Ich teile Ihre Einschätzung der beiden genannten Bücher nicht. – Eskildsens Einladung hatte jedenfalls nichts mit den ihm verliehenden Preisen zu tun, außer vielleicht mit der von Jens Friis ausgesprochenen Nominierung für die erste Folge unseres eigenen Projektes photobook.ph“ im vorigen Jahr. Eskildsens Qualität ist wie bei Koudelka seine absolute, kompromisslose Hingabe an ein Thema. Deshalb wollten wir ihn dabei haben.
Ob der „Deutsche Fotobuchpreis“ www.deutscher-fotobuchpreis.de ebenso wie die Nominierung als eines der „Schönsten Bücher“ www.stiftung-buchkunst.de ein Qualitätskriterium ist, mag dahin gestellt bleiben. Unabhängige Veröffentlichungen und Kleinverlage haben es beim Fotobuchpreis schwerer als bei dem anderen genannten Wettbewerb, bei dem immer wieder innovative Buchkonzepte für preiswürdig gefunden wurden (wie zuletzt der Band „Hardau“ von Julia Ambroschütz und Jeannine Herrmann). Es gibt noch einen weiteren Wettbewerb, bei dem aus eingereichten Buchentwürfen einer zur Realisierung in Kooperation mehrerer europäischer Verlage ausgewählt wird („Leica European Publishers Award“, www.europeanphotopublishers.eu. Das Kasseler Fotobuchfestival hatte als unabhängige Veranstaltung bislang mit den genannten Konkurrenzen nichts zu tun.


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Das Thema „Fotobuch“ hat ja eine rasante Entwicklung genommen und erweckt offensichtlich große Hoffnungen bei Fotografen, Künstlern, Sammlern, Kritikern und Buchhändlern. Die Verleger sehen das wohl eher mit gemischten Gefühlen, aber darauf kommen wir noch. Markus Schaden aus dem allgegenwärtigen „Schaden-Team“ hat sogar in einem Gespräch mit der Kulturzeitschrift „Du“ getönt: „Ich bin so kühn zu behaupten, dass das Medium Buch die wesentlich originärere Ausdrucksform der Fotografie ist“. („Du“ Nr. 795, April 2009). Was hat sich seit unserem letzten Gespräch getan. www.fotokritik.de/Thomas_Leuner__artikel_53_1.html


Thomas Wiegand
Schaden hat mit seiner Aussage insofern Recht, als von Fotobüchern, geschichtlich betrachtet, immer wieder wesentliche Impulse ausgingen. Ansonsten sind einzelne Fotos in der Zeitschrift oder an der Galeriewand nicht minder eine „originäre Ausdrucksform“; es hat keinen Sinn, Bücher, Ausstellungen, gedruckte und virtuelle Fotografie gegeneinander aufzuwiegen und auszuspielen.
Allerdings scheint die Wertschätzung des Buches als Möglichkeit, eine fotografische Aussage zu machen, immens gestiegen zu sein. Sonst hätten wir nicht so viele Anmeldungen zu der Dummy-Ausstellung bekommen. Gleichzeitig haben sich die Möglichkeiten, ein Buch zu konzipieren und zu produzieren, deutlich vereinfacht. Das Angebot wird also immer unübersichtlicher, was trotz gestiegener Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit dazu führt, dass Expertenwissen mehr denn je gefragt ist, also die Position des „Schaden-Teams“ oder anderer Fachleute gestärkt ist. Und so waren die Brüder Schaden auch in diesem Jahr wieder gern gesehene Gäste in Kassel, gehören sie doch zu den am besten informierten Kennern der Szene... Auf dem Fotobuchmarkt vertraut man entweder auf Scouts wie Schaden oder auf seine eigene Spürnase. Warum sollte man sich eigentlich mit Fotobüchern beschäftigen und Geld dafür ausgeben? Folgt man nur einem Sammeltrieb? Erwartet man Seh-Erlebnisse neuer Art, Anregungen für die eigene Arbeit, Wertsteigerungen? Diese eigentlich ganz einfachen Fragen sollte man sich zunächst stellen. Jeder wird andere Antworten finden und sich dementsprechend auf dem insgesamt schwierigen Markt bewegen.


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Das „Schaden-Team“ hat natürlich eine ganz bestimmte Ausrichtung, deren Schwerpunkt auf der Schnittstelle von angewandter und künstlerischer Fotografie liegt. Es will dann wie jeder Galerist seine Produkte promoten. Das ist ja auch in Ordnung. Für Gerry Badger als Zuarbeiter für Martin Parr gilt das Gleiche. Für ein Festival ist es aber ein Problem, wenn Messeelemente integriert werden. Dann sollte man doch besser überlegen, ob man eine Fotobuchmesse mit angehängtem Kulturprogramm organisieren will.


Thomas Wiegand
Antiquariatsstände waren von Anfang an ein wichtiger, aber immer heftig diskutierter Programmpunkt des Fotofrühlings. 2009 hatten wir sechs Anbieter von neuen und antiquarischen Fotobüchern. Dieser Teil der Veranstaltung wurde auch dieses Mal praktisch nicht beworben. Künftig gibt es zwei Möglichkeiten: die von Ihnen skizzierte, also bewusst den Messecharakter zu stärken, und die, so wie bisher das Angebot der Buchhändler und Antiquariate als selbstverständlichen Teil des „Kulturprogramms“ und als Service für die Besucher zu betrachten und nur in zweiter Linie als Möglichkeit, Einnahmen für den Veranstalter zu generieren.


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Groß angekündigt war ja die Möglichkeit für Autoren, ihre Buchentwürfe in Kassel einzureichen, die dann von einer Jury bewertet und in einer Ausstellung gezeigt werden. Etwa 290 Einsendungen sind eingegangen, 47 Arbeiten wurden ausgewählt.
Auf dem „Photography and Books“-Blog www.5b4.blogspot.com/2009/05/second-kasseler-photobook-festival.html war von Jeffrey Lad zu lesen: „The book dummy show had a few interesting books ….” Wohl doch eine eher verhaltene Einschätzung über die eingesandte Qualität.


Thomas Wiegand
Es gab bei den Einsendungen einige konventionelle Objekte, die die Vorauswahl nicht überstanden, und nur sehr wenige avantgardistische. Dies schränkt die Möglichkeiten ein, wenn man sich anhand unserer Einsendungen auf die Suche nach dem Avantgardepotential der deutschen Fotografie machen möchte... Aufgefallen ist mir, dass es ziemlich viele Einsendungen zu asiatischen Städten gab und einige zum Thema Altern.
Ich war Mitglied der Jury, die die Auswahl besorgt hatte. Dies war eine schwierige Prozedur. Jeder wird ein interessantes Buch anders definieren; auf jeden Fall dürfte für alle Juroren und schließlich für alle Besucher des Festivals, also auch für Jeffrey Ladd, etwas dabei gewesen sein. Unsere Aufgabe war es nicht, nur Avantgardistisches oder Herausragendes wie das von Ladd besonders erwähnte, tausende Bilder und hunderte Seiten umfassende Rumänien-Buchobjekt von Katharina Gaenssler herauszusuchen, sondern auch auf den ersten Blick unspektakulärere Werke einzugehen, die in fotografischer, konzeptioneller, gestalterischer, technischer Beziehung überzeugten.


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Auch hier scheint mir über die Qualitätskriterien nicht diskutiert worden zu sein. Sicherlich haben Sie Recht, dass ein „interessantes Fotobuch“ kein Maßstab für eine Jury sein kann und daher „schwierige Prozeduren“ vorprogrammiert waren. Welche Kriterien lassen sich denn für das Medium Fotobuch entwickeln?


Thomas Wiegand
Die Einschätzung eines Buches oder eines Buchentwurfs hat sehr viel mit Wissen und Erfahrung zu tun. Allein durch die Mitwirkung zweier Hochschullehrer war in der Jury davon genug vertreten, aber man wird sich nicht ausschließlich auf Beurteilungsroutine verlassen dürfen. Ich hatte mir zu möglichen Kriterien schon einmal im Zusammenhang mit dem Fotofrühling 2008 Gedanken gemacht und möchte das hier nicht wiederholen www.kasselerfotoforum.de/index.php?cat_id=7, demnächst dazu mehr. Solche selbstverständlich diskussionswürdigen Kriterien lassen sich im Prinzip auch auf Dummys anwenden, sieht man einmal davon ab, dass diese Werke noch keine Rezeptionsgeschichte haben, da sie noch unveröffentlicht sind.


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Die „dummy-show“ ging von einem Buchentwurf aus, also von der Vorstufe zu einem „richtigen Fotobuch“. Das eigentliche Ziel ist demnach, einen Verlag zu finden - natürlich am liebsten Steidl in Göttingen. Im Zeitalter des „book on demand“ ist aber der „Entwurf“ das Buch. Denn das Verlagsfotobuch mit einer Auflage ab 1.000 Exemplaren ist nicht Träger des Fotobuchbooms, es hinkt eher hinterher, die Verlage sind Getriebene der Entwicklung und nicht die Innovatoren. Konnte man diese Unterscheidung von Entwurf „Verlagsfotobuch“ und Entwurf „Prototyp Fotobuch“ auch bei den Einsendungen sehen?


Thomas Wiegand
Es wurden in der Mehrzahl Entwürfe eingereicht, die kaum noch von „richtigen“ Fotobüchern zu unterscheiden waren. Es handelte sich um digital produzierte Kleinauflagen, von denen vermutlich einige schon über die Webshops der Digitaldrucker zu bestellen sind. Der Schritt vom Entwurf zum fertigen Produkt ist also nur noch ein kleiner. Individuell ausgedruckte und gebundene Dummys fielen sofort durch andere Druckpapiere und Formate auf; es gibt also deutliche Unterschiede und ein breites Spektrum der Möglichkeiten. Ein Dummy führte zu einem Termin bei einem der anwesenden Verleger, vielleicht wird das Buch dann auch tatsächlich in Offset gedruckt und in den Buchhandel kommen... Die Unterschiede zwischen Steidl und Blurb, um zwei Beispiele zu nennen, sind zu suchen in der unterschiedlichen Vertriebsstruktur, der Auflage und Kosten, im Produktionsprozess und selbstverständlich im Renommé, das mit einem Objekt bei einem „richtigen“ Verlag verbunden ist.
Viele der gezeigten Dummys könnten ganz gut in der „Blurb-Form“ bleiben, fänden sie nur ihre Käufer. Denn was wäre mit einem Buch, wenn es nicht in einer gewissen Auflage erschiene? Schließlich: Ein Buch ist als Veröffentlichung definiert, ein Dummy, so gut er auch sein mag, ist nur die Vorstufe einer Veröffentlichung. Ein Buch hat im Gegensatz zum Dummy etwas Fertiges, Endgültiges. Einen Entwurf kann man jederzeit ändern, ein Buch müsste man neu drucken lassen. Außerdem wäre die ungeänderte Vorgängerauflage ungeachtet eines Nachdrucks weiter im Umlauf.


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Also führen alle Wege zu einem „richtigen“ Verlag – ist das noch zeitgemäß? Die Innovationen dürfen sich doch derzeit außerhalb der traditionellen Verlagslandschaft abspielen.


Thomas Wiegand
Was ist eine innovatives Fotobuch? Eine interaktive Website etwa funktioniert auch ohne Verlag. Print-on-demand oder Eigenproduktionen brauchen vielleicht auch keinen Verlag, wenn man innovative und kreative Vertriebskonzepte kennt und nutzt, wie es beispielsweise Andreas Magdanz oder Rob Hornstra tun. Fotobuchverlage machen traditionell gedruckte und gebundene Fotobücher und deren Innovationspotential beschränkt sich eben auf dieses Produkt. Und dazu gibt es ja nach wie vor viele Überraschungen. Und wer weiß, was noch passiert. Das Geschäft mit der Musik hat sich ja durch die Downloads von MP3-Dateien ziemlich verändert, warum sollte das nicht auch für Bilder, Reihen von Bildern und schließlich für Fotobücher geschehen? Mir scheint eher die Frage wichtig zu sein, ob und wie lange es sich für die Verlage noch lohnt, Fotobücher zu produzieren. Wenn Sie das Geld mitbringen, bekommen Sie Ihr Buch! Aber bekommen Sie Ihr Buch auch dann, wenn Sie nur einen Dummy mitbringen? Bekommen Sie das Buch auch dann, wenn der Dummy sich nicht am Mainstream oder an großen Namen orientiert? Es dürfte nur ein Bruchteil der Ideen realisiert werden. Viele innovative Dinge werden weiterhin durch das Raster der Verlagskalkulation fallen oder sie erscheinen eben auf anderen Plattformen. Die Möglichkeiten, auf diese Weise aufzufallen, sind aber heute besser denn je.


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Was lässt sich über den verliehenen „Photobook-Award“ berichten?


Thomas Wiegand
Es wird kein Preis verliehen. Es geht nicht um die besten Bücher des zurückliegenden Jahres, die von einer Jury nach einem bestimmten Procedere ermittelt worden wären. Das von Dieter Neubert initiierte und zum zweiten Mal betreute Projekt photobook.ph“ wird von zwei Dutzend Experten aus aller Welt und deren Empfehlungen getragen www.photobook.ph. Den Experten wird nicht in ihre Auswahl hineingeredet. Diese Bücher werden dann zusammengetragen, ausgestellt, in einem Katalog zusammengefasst und später auch noch in European Photography rezensiert. Es gibt keinen Hauptpreisträger, sondern eine Liste gleichberechtigter Titel, die allerdings von der Liste der gefragten Experten abhängig ist. Das kann man als Vorteil oder auch als Nachteil sehen. Zu kritisieren an dem Projekt wäre, dass manche Experten ihre Nominierung nur vage begründen oder das Ganze offenbar nicht recht ernst nehmen. Dies dürfte sich mit den folgenden Runden ändern, wenn sich dieses Projekt mehr etabliert hat.


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Anlässlich des diesjährigen Fotofrühlings ist ein bemerkenswerter Artikel in der Frankfurter Rundschau unter dem Titel: „Your Photo. Your Art. Your Blog“ erschienen.
www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/themen/?em_cnt=1769317. Der Autor Michael Giesecke lehrt an der Universität Erfurt Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Druckmedien + Digitalisierung. www.michael-giesecke.de/giesecke/menue/index_h.html";, Lehrveranstaltungen (aktuell) SS 2009. Danach ist das „Fotobuch in der Druckversion“ nur eine der Möglichkeiten des „Medienhybriden“ Fotobuch. Man blättert im Netz als erste Stufe der Buchnutzung. Wurde diese digitale Buchform und die hybriden Möglichkeiten in den Vorträgen und Diskussionen reflektiert? Was ist dazu für 2010 geplant?


Thomas Wiegand
Das Thema wurde auf der diesjährigen Veranstaltung insbesondere von Katja Stuke und Oliver Sieber reflektiert. Sie stellten ihre Böhm/Kobayashi-Projekt vor, das nicht nur (in unterschiedlich hohen Auflagen und in gemischten Techniken) gedruckte Magazine, Kataloge und Künstlerbücher umfasst, sondern auch rein auf das Internet beschränkte Publikationsformen wie den Böhm-TradeCenter (www.frau-boehm.de/tradecenter), eine raffiniert gemachte Onlinegalerie. Stuke und Sieber können über ihre leicht erreichbare und für Nutzer kostenfreie Website einerseits problemlos mitteilen, was ihnen wichtig ist, andererseits produzieren sie Arbeiten auf Papier (um es so allgemein wie möglich auszudrücken), die zum Verkauf stehen. Ein Buch erlaubt eine komplexere Aussage als ein Bild an der Wand, ist preiswerter und erreicht u.U. ein ganz anderes Publikum als eine Ausstellung. Denn man muss nirgendwo hinfahren, um sich etwas anzusehen, sondern bestellt ein Buch und kann dies dann bequem zu Hause betrachten. Das Internet ist noch einfacher zu rezipieren und bietet ganz andere Möglichkeiten, aber dann geht es nicht wirklich um Bücher oder Abzüge. Wie auch immer gestaltete Bildstrecken im Internet sind keine Bücher, auch wenn sie aus den gleichen Bildern gespeist sein mögen. Ein Buch ist für mich als Druckerzeugnis in einer genau vom Autor, Gestalter oder Verlag vorgegebenen Form definiert. Der vom Nutzer selbst realisierte Ausdruck einer aus dem www heruntergeladenen Datei könnte als Konzept eines so gewollten „demokratischen“ Buchobjektes funktionieren; jeder Ausdruck wird dann je nach den technischen Möglichkeiten des Nutzers anders aussehen. Traditionell wird aber die haptische Form und Ausstattung eines Buches als Objekt vom Autor bzw. Produzenten festgelegt, nicht vom Nutzer oder Käufer. Jedes Medium hat also seine eigenen Produkte, die zusammenhängen mögen, aber sich nicht gegenseitig ersetzen.
Ob dieses Thema 2010 eine Rolle spielen wird, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht läge in der Zusammenarbeit mit der Kasseler Kunsthochschule die Möglichkeit, hier - unabhängig von der Gesamt-Thematik des Festivals - weiteres Material in Form von Ausstellungen, Workshops oder Vorträgen zusammenzutragen und vorzustellen. Das Kasseler Fotoforum sieht sich im Augenblick vor allem als Organisator, der die Plattform für die Veranstaltung zur Verfügung stellt und weniger als Mit-Diskutant in medientheoretischen Fragen.


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Es ist sicherlich nicht einfach, eine so dynamische Entwicklung in ein längerfristiges Festivalkonzept umzusetzen. Soll es bei dem bisherigen Vorgehen bleiben, der „Fotobuchszene“ einmal im Jahr ein Familientreffen auszurichten? Oder welche Optionen sehen Sie?


Thomas Wiegand
Der familiäre, intime Charakter wurde in vielen Rückmeldungen gelobt und darf nicht verloren gehen. Da das Festival von einem als gemeinnützig arbeitenden Verein ehrenamtlich organisiert wird, sind die Möglichkeiten, die Veranstaltung größer und unübersichtlicher zu gestalten, zum Glück nur sehr beschränkt. Schon jetzt gab es bei den mit der Organisation beschäftigten Vorstandsmitgliedern Klagen über die hohe Arbeitsbelastung im Vorfeld der Veranstaltung. Eine teilweise Auslagerung an bezahlte Hilfskräfte würde Linderung bedeuten, hieße aber auch eine Aufstockung des Etats. Hierfür gäbe es verschiedene Optionen, nämlich, mehr Flächen für Info- und Verkaufsstände an zahlende Interessenten zu vergeben (also den von Ihnen schon angesprochenen Messecharakter zu stärken) oder neben Monochrom einen oder zwei weitere größere Sponsoren zu finden. Es wird weiterhin über den Wechsel des Veranstaltungsorts nachgedacht, was meiner Meinung nach nicht zu Lasten der sicherlich nicht immer einfachen Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule gehen darf.
Es gibt außerdem die Option, entweder das Festival „nur“ noch zum Thema Fotobuch im Allgemeinen auszurichten oder das Fotobuchthema von Jahr zu Jahr unter immer neuen Perspektiven zu betrachten, also sich beispielsweise mit Fotobüchern aus bestimmten Ländern oder aus besonderen Schulen zu beschäftigen oder etwa das von Ihnen nachgefragte „Internetbuch“ zu thematisieren oder einmal speziell das Gestalten eines Fotobuchs in den Mittelpunkt zu stellen, wie es von Kai-Olaf Hesse vorgeschlagen wurde.


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Vielen Dank für das Gespräch.



Das Gespräch führte Thomas Leuner.



19.06.2009