-
Aus aktuellem Anlass hatten die Veranstalter des 6. Kasseler Fotobuchfestivals (2013) zu einem Streitgespräch über das Thema: „Urheberrecht kontra Wissenschaft“ geladen, bei dem es um die Klärung der Frage ging, ob Bildhonorare an Fotografen gezahlt werden müssen, wenn ihre Fotobücher mit einigen Seiten in Büchern über Fotobücher vorgestellt werden. Das Genre der Bücher über Fotobücher existiert erst seit einigen Jahren, die urheberrechtliche Lage ist ungeklärt. Hierzu einen Beitrag zu leisten, war der Ehrgeiz der Veranstaltung.
Konkret hatte sich der Streit mit der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst an der von Manfred Heiting und Roland Jaeger herausgegebenen Monographie „Autopsie – Deutschsprachige Fotobücher 1918-1945“ (Bd. 1, 2012) entzündet. Es wurden von der VG-Bild-Kunst erhebliche Honorare für Bildrechte einiger Fotografen angefordert, deren Buchseiten wiedergegeben waren.
Dass diese Honorarforderungen polarisieren würden, war schon bei Beginn der Diskussion in der Documenta-Halle in Kassel klar. Sie wurden vehement vertreten durch die Justiziarin der VG-Bild-Kunst, Dr. Anke Schierholz, die unmissverständlich klarmachte, dass ein Honorar zu zahlen ist, wenn ein Foto eines von der VG vertretenen Fotografen in einem Buch über Fotobücher erscheint und das abgedruckte Bild mehr als Streichholzschachtelgröße aufweist. Eine Diskussion darüber sei zwecklos, das Urheberrecht verlange das so. Der Sturm der Entrüstung war abzusehen, an dem sich im weiteren Verlauf der Diskussion das Podium abarbeitete. Dabei schälten sich zwei unterschiedliche Positionen heraus, die einmal von den Autoren der Bücher über Fotobücher vertreten werden und auf der anderen Seite von den Vermittlern von Fotografie. Für die Autoren Dr. Roland Jaeger und Hans Michael Koetzle stellte die Wiedergabe von Faksimileseiten aus einem Fotobuch ein Zitat dar, und, das müsse daher, weil für die wissenschaftliche Arbeit zwingend notwendig, honorarfrei sein. Für die Vermittler der Fotografie, Thomas Seelig, Co-Direktor des Fotomuseums Winterthur, und Markus Schaden als Verleger, stand dagegen der Werkcharakter des einzelnen Fotobuches im Mittelpunkt. Denn Fotobücher, die von Autoren produziert werden, sind medial eine Gesamtheit. Die Bestandteile des Mediums Fotobuch sind die Fotos und deren Zusammenstellung, der Titel, der Text, das Layout und die Typografie. Die Gesamtheit dieser Merkmale formuliert einen neuen, eigenen Inhalt. Wenn Honorarzahlung, dann wäre allein an die verantwortlichen Herausgeber oder Verlage des Fotobuches zu zahlen.
In der Debatte wurde schnell klar, dass das Problem der Honoraransprüche für einzelne Fotos in Büchern über Fotobücher, - für Besprechungen von Fotobüchern dürfte dasselbe gelten - , ein Nebenschauplatz der großen allgemeinen Debatte über das Urheberrecht im digitalen Zeitalter ist. Und da geht es bekanntermaßen hoch her. Die Verfechter der reinen Lehre des geistigen Eigentums als Grundlage unserer Kulturgesellschaft stehen den „Piraten“ auf der anderen Seite gegenüber, die „Free Copy“ verlangen und die Frage der Finanzierung einer Kulturgesellschaft auf eine andere Art lösen wollen. Eine Einigung ist nicht in Sicht, der Bruch geht bis tief in die Generationen. Was man daher sicher sagen kann: In nächster Zukunft wird es keine gesetzliche Regelungen geben, die das Problem der Honorierung bei Büchern oder Texten über Fotobücher löst. Die Kontrahenten werden sich arrangieren müssen, wenn das Schreiben über Fotobücher noch weiter eine Chance haben soll. Das Kräfteverhältnis scheint auf den ersten Blick nicht ausgewogen. Der VG-Bild-Kunst als schlagkräftiger Organisation mit abmahnungserfahrenen Anwälten stehen lediglich einzelne Herausgeber und Autoren von Büchern und Texten über Fotobücher gegenüber. Die verantwortlichen Verlage haben sich schon längst aus der Verantwortung qua restriktiver Autorenverträge gestohlen. Finanziell sind Bücher über Fotobücher kein Geschäft, Honorare für Texte für Fotobücher minimal, der finanzielle Spielraum, sich gegen anwaltliche Forderungen zu wehren, daher gering. Die Autoren sind in keiner komfortablen Lage, wenn ein Anforderungsschreiben der VG-Bild-Kunst eintrifft.
So ganz ungleich erscheint dieses Kräfteverhältnis jedoch nicht, wenn man bedenkt, dass die meisten Fotografen ein Interesse daran haben, dass ihr Fotobuch in einem Buch über Fotobücher erscheint oder besprochen wird und somit eine besondere Wertschätzung in der Öffentlichkeit erfährt. Ein Verzicht auf ein Honorar wäre leicht zu erreichen. Leider gibt es teilweise die Praxis der VG-Bild-Kunst, auch dann Honorare zu verlangen, wenn die Rechteinhaber aus guten Gründen selbst darauf verzichtet haben. Eine mögliche Konsequenz wäre der Austritt aus der VG-Bild-Kunst oder eine Änderung der Wahrnehmungsverträge, um die Rechte als Fotograf bzw. Urheber selbst bestimmen zu können.
Diese Drohkulisse schafft auf jeden Fall Verhandlungsspielraum für die Autoren, denn auf Dauer kann es sich die VG-Bild-Kunst nicht leisten, gegen die Interessen ihrer eigenen Mitglieder zu agieren.
In vielen Fällen liegen die Rechte der Honorare aus den Fotobüchern nicht mehr bei den Fotografen, sondern wurden im Zuge der jeweiligen Buchproduktion auf die Verlage übertragen oder sind bei sonstigen Händlern gelandet. Hinzu kommt, dass die Produktion eines Buches über Fotobücher nur dann sinnvoll ist, wenn man eine Fotobuchbibliothek vorstellen will, also eine Fülle von Titeln, bei denen die Rechtsinhaber einzelner Fotos nicht zu ermitteln sind. Diese Gemengelage führt in der Praxis dazu, dass man „blind“, also ohne sich um die Urheberrechte zu kümmern, das Buch produzieren muss.
Die Kasseler Diskussion über das Urheberrecht bei Büchern über Fotobücher und Texte konnte aufgrund der polarisierten Positionen nicht zu einem Ergebnis führen. Es herrschte aber bei allen Beteiligten Zufriedenheit darüber, dass das Thema erstmals in der Öffentlichkeit artikuliert wurde. Auch war man sich darüber einig, dass die VG-Bild-Kunst in der Pflicht steht, in Zukunft klare Vorgaben zu machen, wann und in welchem Rahmen sie im Namen der Urheberrechtsinhaber Honorare verlangen will. Wie weit geht das Zitatrecht in Büchern über Fotobücher? Wie weit bei journalistisch, publizistischer Buchbesprechung?
Natürlich bleibt immer noch der steinige Rechtsweg. Die Chancen scheinen nicht schlecht zu stehen, sich gegen Zahlungsaufforderungen der VG-Bild-Kunst zu wehren, denn der Werkbegriff des Urheberrechtes stellt das Fotobuch eines fotografischen Autors als Gesamtheit unter Schutz und überlagert die Rechte der einzelnen Fotos.
War damit die Urheberrechtsdebatte über das Publizieren über Fotobücher in die richtigen Wege geleitet? Leider nein. Was Außen vor blieb, war das Publizieren über Fotobücher in Blogs und Zeitschriften im Internet, denn dort gelten andere Gesetze beim Betrachten von Bildern. Vom Autor über den Server zum Artikel hochgeladen, sind die Bilder nicht fest auf dem Papier fixiert und vom Betrachter in unterschiedlicher Größe an unterschiedlichen Bildschirmen und unter unterschiedlichen Bedingungen zu sehen – weltweit und zeitlich unbegrenzt. Da versagt das herkömmliche Instrumentarium des Zitatrechtes, ein großer weißer Fleck auf der Urheberrechtskarte tut sich auf. Wie soll man über Bilder reden und schreiben, wenn man sie nicht sehen kann oder nur als Ahnung in der Größe eines thumb-nails – Daumennagels? Wie sieht eine Fotobuch-/Bildbesprechung im Zeitalter der digitalen Bildkultur aus?
Thomas Leuner