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  Short-Cuts: die Zukunft des Fotobuchs Nr. 2 - Gespräch mit Joachim Schmid, Künstler und Initiator der „ABC Künstler-Kooperative“, über Strategien der Eigenvermarktung von Künstlerbüchern.
von Thomas Leuner

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Die „ABC Artist's Books Cooperative“ (abcoop.wordpress.com/) in ganz kurzen Worten, was ist das?


Joachim Schmid
ABC ist ein internationales Netzwerk von Künstlern, die Print-on-Demand-Bücher machen. Die neuen technischen Möglichkeiten haben ein neues Momentum in die alte Idee des Künstlerbuchs gebracht und auch ein neues Problem: Aufgrund der vergleichsweise hohen Herstellungskosten der Bücher ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, sie über den traditionellen Weg des Buchhandels zu vertreiben. Mit den branchenüblichen Margen bleibt entweder für den Macher nichts übrig oder die Bücher müssen exorbitant teuer angeboten werden. Wir brauchen also andere Kanäle. Um diese zu erforschen und auszubauen, wurde ABC gegründet.


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Auf der einen Seite soll die ABC Artists' Books Cooperative nur ein Netzwerk sein, – „to help artists getting their self-published books to the people who are interested in them“ – so ist es auf eurer Homepage zu lesen. Auf der anderen Seite stehen euch prominente „Berater“ zur Seite, wie Martin Parr und Alec Soth, die auf eine inhaltliche Festlegung deuten, was ihr unter Fotografie versteht. Ist das nicht etwas widersprüchlich? Gibt es Inhalte, für die ihr steht?


Joachim Schmid
Ich vermag da keinen Widerspruch zu erkennen. Wir haben eine Reihe von Beratern – außer den beiden genannten Fotografen sechs weitere Fachleute –, die sich intensiv mit Büchern beschäftigen; diese sind so eine Art Scouts, sie kommen viel rum und treffen allerlei Leute und weisen uns auf Künstler hin, die für uns von Interesse sein könnten. Eine inhaltliche Ausrichtung ergibt sich daraus nicht. Wer sich die Bücher unserer Mitglieder anschaut, wird eine bemerkenswerte Vielfalt finden. Obwohl viele überwiegend mit Fotografie arbeiten, ist das weder die einzige Technik noch Programm oder Voraussetzung für eine Mitgliedschaft. Wir sind keine Fotografenvereinigung (und haben also auch keinen Bedarf, zu definieren, was wir als Fotografie verstehen und akzeptieren), sondern eine Gruppe von Künstlern, die Bücher machen. Die Mitglieder haben sich keinem Dogma verschrieben. Wir akzeptieren alle Büchermacher, sofern die Mehrheit unserer Mitglieder ihre Arbeiten schätzt. Selbstverständlich pegelt sich dabei eine grobe Richtung ein, und das ist weder zu vermeiden noch unerwünscht. ABC ist ein großer Topf, aber kein Topf für alle.


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Wie lässt sich dieser „Topf“ beschreiben? Und: was ist ein „Künstlerbuch“ in eurem Sinne? Es gibt Bücher mit Fotos in Form des Katalogs, Fotobuchs oder Künstlerbuchs; so weit die bisherigen Bemühungen, die Buchformen inhaltlich zu differenzieren.


Joachim Schmid
Künstlerbücher haben eine lange Tradition mit einer Vielzahl von Erscheinungsformen – das illustrierte Buch, das handgemachte Buch, und seit gut einem halben Jahrhundert das meist in relativ kleiner Auflage erscheinende, in Form und Inhalt selbstbestimmte Künstlerbuch, das meist ohne Verleger, ohne Redakteur, ohne Gestalter entsteht und vom Künstler selbst verantwortet wird. Das Buch ist dabei autonomes Werk und nicht Katalog oder Sammlung von Arbeiten, die auch außerhalb des Buchs existieren. Wir sind alle eher an konzeptionell begründeten Büchern interessiert und weniger an der handwerklich motivierten Tradition der Buchkunst.


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Wir führen dieses Gespräch in der Reihe der Kurzgespräche über die Zukunft des Fotobuches. Bei der ABC-Kooperative stellt sich sofort die Frage, ob euer Modell auch für andere Künstler kopierbar ist? Ist dieses Modell vielleicht sogar die Organisation für Künstler im Zeitalter des Internets?


Joachim Schmid
Das lässt sich nur spekulativ beantworten. Das Prinzip ist einfach zu kopieren, ob es in der Praxis funktioniert, hängt von vielen Faktoren ab, in erster Linie wohl von den beteiligten Personen. Wenn zu viele passive Mitglieder dabei sind, ist das so schwierig als wenn auf der Seite der aktiven Mitglieder jemand dabei ist, der glaubt, unentwegt auf sein größeres Geweih hinweisen zu müssen oder wegen der Größe des Geweihs eine Sonderstellung beansprucht.
Ich bin davon überzeugt, dass wir in Zukunft mehr solcher Modelle sehen werden – es gibt eigentlich kaum eine Alternative. Die klassischen Modelle – Verlag, Buchhandel, Galerie, Plattenfirma, Filmverleih, Programmkino etc. – funktionieren nicht mehr oder nicht mehr richtig, während die Hochschulen unentwegt Nachschub an Machern produzieren. Einem sehr übersichtlichen Markt, einem geringen Subventionsaufkommen und einem von einer Krise in die nächste humpelnden System steht ein wachsendes Heer hungriger Künstler gegenüber. Denen bleibt gar nichts anderes übrig, als sich selbst zu organisieren. Plötzlich gibt es wieder Produzentengalerien, die vor Jahrzehnten totgesagt wurden, und Kleinverlage wie Pilze nach einem warmen Regentag. Selbstorganisation und Eigenvertrieb sind in Zeiten des Internets selbstverständlich deutlich einfacher als das ohne Netz der Fall war. Man sollte allerdings nicht glauben, dass das Netz alle Probleme löst.


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Die ABC-Kooperative ist die erste Kooperative dieser Art zum Thema Fotobuch/Print-on- Demand. Daher ist es natürlich interessant, einen Einblick in die Genese zu bekommen. Wenn ich dich richtig verstanden habe, bist du der Initiator der Initiative gewesen. Du hattest bei „Blurb“ Bücher drucken lassen und im dortigen „Store“ eingestellt. Das hat dir aber nicht gereicht, du bist bei Blurb auf Suche nach Mitstreitern gegangen. Wie kam es dazu und wie entstand dann die ABC-Kooperative?


Joachim Schmid
Ich muss vielleicht noch einmal darauf hinweisen, dass es bei uns nicht um Fotobücher geht, sondern um von Künstlern selbst verlegte Bücher, in denen Fotografie eine Rolle spielen kann, aber keineswegs muss.
Als ich vor einigen Jahren begann, mit Print-on-Demand zu arbeiten, war ich bald mit dem Vertriebsproblem konfrontiert. Es war mir klar, dass ich kaum der Einzige sein konnte, der sich dieser Technik bedient, und dass die anderen wahrscheinlich ähnliche Probleme haben. Wenn zehn Menschen ein ähnliches Problem haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie es gemeinsam lösen, größer, als wenn sie es einzeln versuchen. Dank des Internets ist es nicht so schwierig, dass die Zehn einander finden. Diese simplen Überlegungen waren der Beginn von ABC.
Print-on-Demand-Anbieter wie „Blurb“ und „Lulu“ bieten zwar eine Verkaufsplattform, doch sind diese „Bookstores“ völlig unkuratierte und unredigierte Müllhalden, auf denen jeder Dilettant seine Ergüsse ablegen kann. Kaum ein ernsthafter Interessent wird sich die Mühe machen, die gigantische Menge von Schrottbüchern durchzusehen. Nur wer gezielt auf ein Buch hingewiesen wird, findet es. Ich habe diese Müllhalde eine Woche lang durchstöbert und bin dabei auf eine Reihe von Büchern gestoßen, in deren Gesellschaft ich meine Bücher gerne sehen würde. Deren Autoren unterbreitete ich einen noch recht vagen Vorschlag zur Zusammenarbeit. Etwa die Hälfte antwortete, und das war der Nukleus, aus dem sich alles entwickelte. Jetzt haben wir eine eigene Plattform, einfach und übersichtlich, auf der Interessenten Informationen über unsere Bücher finden.


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Das klingt sehr nach den Techniken der sozialen Netzwerke, wie Facebook und andere. Du hast Freunde mit einem konkreten Ziel zur Zusammenarbeit. Wie sieht nun diese Zusammenarbeit aus? Ihr kennt euch lediglich über die Arbeiten bei „Blurb“, habt Kontakt über das Internet und lebt in unterschiedlichen Staaten. Damit kann man aber keine Bücher vertreiben. Zu einer internationalen Kooperative gehören komplexe Organisationsformen. Wie haben die sich entwickelt und wie sehen sie heute aus?


Joachim Schmid
Das klingt nicht nur nach Netzwerk, es ist eins. Aus einem zunächst rein pragmatisch begründeten Bündnis entwickelten sich im Lauf der Zeit engere Beziehungen. Die Kommunikation läuft über ein nur Mitgliedern zugängliches Online-Forum, in dem sämtliche Aktivitäten der Kooperative diskutiert werden, und gelegentlich auch andere Dinge.
Die gemeinsame Optimierung des Vertriebs steht nach wie vor im Zentrum, und sichtbar wird das am ehesten beim Auftritt der Kooperative auf Messen, wo sich die Mitglieder auch persönlich treffen. Bei diesen Buchmessen wie „Offprint“ Paris oder „New York Art Book Fair“ werden mehr Bücher verkauft als über Webshops oder in Läden. Kaum ein einzelner Künstler kann sich regelmäßige Präsenz auf mehreren dieser Messen leisten, für eine Kooperative ist das machbar.
Eine sonderliche komplexe Organisationsform ist das eigentlich nicht, im Gegenteil, wir versuchen das so einfach wie möglich zu halten.


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Interessant sind natürlich die Einzelheiten: Wie wird über ein neues Mitglied abgestimmt? Wie ausgeschlossen? Wie wird die finanzielle Seite gehandelt? Die Abrechnung der Verkäufe, die Kosten für die Messestände, Internet usw. Wer pflegt die Homepage und das Forum?


Joachim Schmid
Abgestimmt wird ganz demokratisch: eine Stimme pro Nase. Neue Mitglieder werden mit Zweidrittelmehrheit aufgenommen. Jedes Mitglied zahlt pro Jahr einen Beitrag in die gemeinsame Kasse, aus der sämtliche Ausgaben bestritten werden. Ansonsten handeln alle Mitglieder auf eigene Rechnung. Einige der aktiveren Mitglieder kümmern sich ehrenamtlich um die Administration des Netzwerks inklusive des Internetauftritts.


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Ohne jetzt Interna wissen zu wollen: Welche Fragen/Diskussionen bewegen euch im Forum?


Joachim Schmid
Es geht in erster Linie darum, wo wir gemeinsam auftreten möchten und wo nicht, ob das Sinn ergibt, sowohl konzeptionell als auch ökonomisch. Außerdem stellen Einzelne ihre Buchprojekte vor, die häufig nach der Diskussion noch einmal redigiert und umgestaltet werden. Daneben sind wir nach wie vor damit beschäftigt, uns als Kooperative zu erfinden. Wir haben zur Zeit noch keine klare Zielvorstellung, was wir in zwei oder fünf Jahren sein möchten, ob wir wachsen sollen und wenn ja, wie schnell und zu welcher Größe etc. Der Rest ist solidarischer Austausch von Informationen über Wettbewerbe, Ausstellungen, sonstige relevante Nachrichten, und auch ein bisschen sozialer Kitt, der die Mitglieder zusammenhält, ohne dass das in eine Wärmstube für sozial Bedürftige umzuschlagen droht.


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Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.
Das Gespräch führte Thomas Leuner.


Link zur Person von Joachim Schmid:
schmid.wordpress.com/
de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Schmid


08.05.2012