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Texte zur zeitgenössischen Fotografie und digitalen Bildkunst
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Das unsichtbare Personal

von Joachim Schmid


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Eine stetig wachsende Menge unserer Information ist von Google aufbereitet. DasGeschäftsmodell der Firma basiert auf ihrer Unsichtbarkeit; der Informationsfluss funktioniert umso glatter, je weniger wir ihre Tätigkeit wahrnehmen. Sie scheint reine, quasi naturgegebene Information zur Verfügung zu stellen. Das ist
selbstverständlich nicht so, und ebenso selbstverständlich sind bei der Informationsverarbeitung nicht nur Algorithmen zugange, sondern auch Menschen. Deren Wirken soll verborgen bleiben, doch werden Spuren menschlicher Tätigkeit trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gelegentlich sichtbar. Es sind Menschen, die all die Bücher scannen, die uns in Google Books zur Verfügung gestellt werden. Es ist eine einfache, repetitive Tätigkeit; eine Hand blättert um, eine Hand drückt den Knopf. Blättern, drücken, blättern, drücken. Menschen machen
Fehler. Eine Verzögerung hier, eine kleine Unachtsamkeit da, und schon fotografiert die drückende Hand die blätternde. Ein Teil einer Buchseite ist von der Hand der Person, die den Scanner bediente, verdeckt. Die Firma lässt die gescannten Bücher von Robotern durchsuchen, die solche Fehler erkennen und beheben sollen. Wir wissen nicht, wie gut, wie schnell und wie zuverlässig diese Roboter sind, doch wissen wir, dass sie keineswegs perfekt sind. Wir wissen dies, weil der New Yorker Künstler Paul Soulellis solche unerwünschten Bilder aufspürte, bevor die Roboter sie aus dem Verkehr ziehen konnten. Seine Serie Apparition of a distance, however near it may be versammelt Momentaufnahmen aus Google Books, die jeweils die Hände unbekannter Personen zeigen, die im Auftrag der Firma Bücher scannen. Diese Bilder sind unerwünscht und die Firma unterlässt keine Anstrengung, um diese so schnell wie möglich zu eliminieren. Der offensichtliche Grund dafür ist, dass die unbeabsichtigt mitfotografierten Hände Information verdecken. Es könnte jedoch noch
einen weiteren Grund für diesen Eifer geben. Die Bilder geben ungewollt Hinweise auf das von der Firma beschäftigte Personal, auf Geschlechts- und Rassenzugehörigkeit derjenigen, die in den Scan-Fabriken arbeiten. Wer sich für deren Arbeitsbedingungen
interessiert, kann mit einer einfachen Google-Suche viel in Erfahrung bringen.


soulellis.com/projects/apparition/
www.blurb.de/b/3997653-apparition-of-a-distance-however-near-it-may-be

24.09.2013


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Schlagworte: Scannen, Google Books, der Mensch als Fehler