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und digitalen Bildkunst
 

  Cindy Sherman Retrospektive - Besprechung
von Thomas Leuner

Cindy Sherman Retrospektive, Produktion: Jeu de Paume, Paris,
Stationen: Kunsthaus Bregenz, Martin-Gropius-Bau Berlin, Louisiana Museum of Modern Art, Hmblebaek Dänemark.


Diese Ausstellung scheint die Kritiker zu polarisieren. Die einen Sprechen vom Niedergang einer Künstlerin und knüpfen dabei an ihren "Film Stills" aus den 80er Jahren an, die einen wesentlichen Beitrag zur zeitgenössischen Gender-Kunst geleistet haben. Der Niedergang selbst wird an den neuen Arbeiten wie den „Clowns“ festgemacht, deren Niveau auf der Ebene von Kinderwerbung für Mac Donalds liegt. Die Fans dagegen sind voll des Lobes für die visuelle Wucht der Bilder, die Farbigkeit und Tiefgründigkeit der inszenatorischen Fantasien und die Kontinuität des Werkes.
Sicherlich ist die große Obsession der Sherman das Verkleiden, und das in einer naiven Form. Deutlich zeigt sich das schon bei ihren frühen Arbeiten im Dunstkreis der Hochschule. Diese Bilder werden mehr vom College-Spaß beherrscht als vom Kunstdiskurs. Die berühmten „Film Stills“ sind davon nur eine Variante. Ihre Besonderheit beruht auf der Nutzung der Bildsprache der New Documentary Photography, die konträr zur traditionellen Bildsprache der Glamour-Fotografien des Films steht und Ironie und Distanz herstellt – ein Rückgriff auf eine sehr amerikanische Bildsprache, die auch Jeff Wall mit großem Erfolg bei seinen Inszenierungen nutzt. Für europäische Augen waren die kleinen schwarz-weißen Selbst-Inszenierungen Avantgarde – wohl ein Missverständnis. Tatsächlich ging Sherman weiter ihren Weg in das neue Genre der inszenierten Fotografie. Mit all den Konsequenzen des Zeitgeistes: Großformate in Farbe, Studiotechnik, Composing (Retusche) und die geschmacklichen Abstürze, die einem neuen Genre eigen sind. Dabei folgte sie immer konsequent ihrer Verkleidungsobsession, die mehr an schauspielerischen Fantasien orientiert ist als an der künstlerischen Bild-Reflexion.


Siehe dazu auch im Image-Blog "Bilder" die Fotos zur Station Kunsthaus Bregenz


16.06.2007